Sonntag, 18. August 2013

66. fortsetzung "nirgendwo"


"punkt karo, besuch, frau tipsi ist vor der tür, an ihrer seite zwerg nepomuk", tönte es durch den raum und weckte mich, denn ich war beim kritzeln eingenickt, hatte die zeichnungen noch auf dem schoß. da klopfte es auch schon an der tür. "hey, punkt karo, erkenne dich kaum wieder". "hey, tipsi", grüßte ich zurück, "du siehst aber auch ein wenig anders aus", untertrieb ich, denn tipsi, die vor mir stand, im bunten mohnblumenkleid, mit kettchen am handgelenk und schellen an den fesseln, war mir vollkommen neu. "schönes kleid und so..", haspelte ich ein kompliment hinterher. "also, punkt karo, ich will gleich sagen, weshalb ich hier bin, und bitte sieh nepomuk nach, das er sich, ohne zu fragen, hier aufgehalten hat, nicht wahr nepomuk". sie blickte ihn liebevoll an und nepomuk knickste die beine zur seite und verschränkte wieder die hände über den knien, diesmal ganz sanft. "aber, da ist noch etwas ganz wichtiges", sagte tipsi und erwartete meine aufmerksamkeit und ich gab sie ihr. "der nepomuk war nicht alleine hier". "nicht alleine?", mir schwante schon allerei, denn ich hatte die zwergenbande ja bei frau dürr im garten erlebt, wie sie alles auf den kopf stellten. "wer war den noch hier?, oder ist er, sind sie noch hier, die anderen, alle?". "nein, so ist es nicht", beruhigte tipsi mich, "nepomuk hat jemanden kennengelernt, der zufall war es, das ihm eine zwergin über den weg gelaufen ist, im kiefernwäldchen lebt das völckchen, und er hat sich verliebt, der alte. sie sind dann hierher. jetzt fehlt sie ihm, weil er weggerannt ist ohne sie mitzunehmen". "und wo ist sie", fragte ich nepomuk, den ich ansprach, vielleicht redet er ja mal mit mir. er sah mich an und antwortete sogar, "oben, schläft", sagte er. "wo oben?". "zeige ich dir", er zupfte an meiner hose und ich folgte ihm zu dem haus, wo er vorhin, von mir und pluto, entdeckt worden war. "wo ist eigentlich pluto?", da sah ich ihn auch schon. er lag dort vor der tür und bewachte den eingang. "na, so hat sich die zwergin wohl nicht hinausgetraut", dachte ich. als er uns sah, machte er platz und ich folgte nepomuk in das haus. "oben", sagte nepomuk. wir stiegen die leiter hinauf und ich sah zum ersten mal die koje, den schlafplatz hier oben unter der lichtdurchfluteten kuppel. da lag die zwergin im bett und schlief. "schläft", sagte nepomuk und war ganz sanft, "nicht wecken", und sah mich bittend an. "ist schon gut, nepomuk, wir lassen sie schlafen und gehen wieder zu tipsi, vielleicht möchte sie einen tee, dann mache ich einen, und vielleicht gibt es kekse, am besten ingwerkekse". "gut", sagte nepomuk, "ich bleibe, geh". ich stieg die leiter wieder hinunter und ging zu tipsi. "alles in ordnung, sie liegt ihm bett und schläft, nepomuk ist bei ihr, möchtest du vielleicht einen tee?". "oh ja", sagte tipsi, "ich helfe dir!". wir tranken den tee auf dem deck und ich schaute in die ferne. schön war es hier, der blick schweifte über die dünen und ich endeckte einen hirsch, der zu uns herübersah, aber er war weit entfernt. tipsi fragte, "gefällt es dir hier?". "ja, sehr",sagte ich, "wann wurde es denn gebaut?, es erscheint wie neu". "es ist noch nicht lange her, daß richtfest war. ich war dabei und die zwerge auch. lana sagte da zu mir, "tipsi, es dauert nicht mehr lange, dann ist punkt karo soweit, daß er einziehen kann". "das hat sie gesagt?", fragte ich nach. "ja, sie freute sich für dich und als ihr die zeit zu lang wurde, fand sie einen zeitvertreib. sie hat talent zum ballett und bekam eine rolle im film, na ja und schön ist sie auch, nicht wahr, punkt karo?", schäkerte sie. dann wechselten wir das thema. da nepomuk oben geblieben war, nutzte ich die gelegenheit, tipsi nach den zwergen zu fragen, denn ich wußte garnichts von ihnen. "du weißt ja sicher von meinem mißgeschick", sagte sie, "als ich dachte die zwerge seien gebannt und ich sie erlösen wollte und als das nicht ging, sie mit einem wunsch nach ihrem abbild neu erschuf. ich will mich um sie kümmern, habe ich versprochen und sie sind mir ans herz gewachsen. auch wenn es nur lebendig gewordene tonscherben wären, wie sie sich einmal ein mensch ausgedacht hatte, bevor er sie formte. aber ich habe sie danach erschaffen, durch meinen wunsch sind sie lebendig. es gibt auf der erde aber auch  zwerge von der mutter, wie die zwergin eine ist, die oben schläft und die nepomuk, mein wunschzwerg, bewacht, zwerge die nicht der spuk der rhabarberinn sind, die nicht vom menschen kommen, denen kein wesen angedichtet wurde. sie sind gänzlich anders, garnicht mürrisch und rabauken auch nicht. "und hast du auch schon zwergenkinder gesehen", fragte ich dazwischen. "nein, weil es keine gibt. die zwerge sind jung, wenn sie geboren werden, aber keine kinder. sie werden viele hundert jahre alt. erst im hohen alter werden sie runzelig und still, und sind eines tages verschwunden, einfach so". "und wie kommen sie auf die welt?", fragte ich. "also, hör gut zu", sagte tipsi und begann zu erzählen. "in einer nebelnacht am flussdelta erhebt sich aus dem wasser die große weiße frau. sie findet sich im wasser der flüße und taucht erst auf, wenn sie ganz zusammen ist. dann schweigt alles herum und eine große stille herrscht, wie du sie dir garnicht vorstellen kannst. ganz allmählich erhebt sie sich und steht dann aufrecht im wasser, blickt zum mond und stößt einen herzzerreißenden schrei aus, alle schmerzen der welt enthält er, der schrei er weissen frau. sie ist grossbrüstig und dickleibig, hat mächtige schenkel und riesige füsse. sie watet dann, schritt um schritt an land, wobei die flut vor ihr her schwappt. dann, am ufer dreht sie sich nocheinmal zum wasser und blickt zurück, bevor sie an land geht. sie setzt die beine weit voneinander auf und geht in die hocke, dann klatscht sie sich kräftig auf die flanken, sinkt sie zu boden und ruht auf dem rücken, sie setzt die beine auseinander und öffnet sich. aus der großen höhle krabbeln und rutschen die zwerge heraus, eine nicht enden wollende schar. sie versammeln sich am strand. die große weisse frau bleibt am strand liegen, bis sie sich in nebel verwandelt und noch einmal ihre kinder umhüllt, die glimmen und funkeln, als wären die sterne vom himmel gefallen. erst wenn mit der flut das wasser heraufsteigt löst sie sich wieder darin und ist nicht mehr zusammen. erst hunderte jahre später wird sie dann wieder erscheinen. vom strand klingt nun das pfeifen und singen der alten, die holen die jungen und führen sie hierher ins wäldchen. tagelang scheint dann der wald zu träumen. wer dann hinein geht schläft gleich ein". gerade als tipsi die geschichte zuende erzählt hatte, kam nepomuk mit der zwergin zurück und wir schwiegen ersteinmal.





"aus der großen höhle krabbeln und rutschen die zwerge heraus"