Freitag, 21. Juni 2013

52. fortsetzung "nirgendwo"


"laß uns ein zelt aufschlagen. es wird immer kälter und die pappelallee will nicht enden. ich hab' schon versucht, sie mit wellpappe zuzunageln. ich habe dir gesagt, schau, hier ist die welt mit brettern zugenagelt. du hast sie wieder aufgebrochen!". "jetzt jammer nicht!", sagte kleinkerl und schupperte mir die rückenkuhle. ich drückte ihn an mich und wir standen versonnen unter den sternen, die aus ihrem nebel fielen und uns entgegen. "also zelten wir?" kleinkerl bejahte und suchte nach einem platz. "wir müssen an den strassenrand, sonst zertrampelt uns der wilde reiter". "na, er wird's wohl wissen", dachte ich und schaute mich auch um. da sah ich einen platz neben der strasse, zu dem eine planke hinüber führte. "ah, das rasenschiff", sagte kleinkerl, "das soll es sein; vorsichtig über die planke, sonst zappelst du bei den fischen!". "das habe ich schon hinter mir, unter uns ist nichts, kein fisch, garnichts, halt mich nicht für dumm". "mach dir nur mut", sagte kleinkerl "aber fang nicht an zu pfeifen, das kann ich nicht vertragen". wir schafften es über die planke und ich saß erschöpft auf der wiese. "seltsam", sagte ich, "es scheint hier viel wärmer, als eben noch auf der strasse". "kann sein, kann nicht, mein pelz ist nicht so empfindlich. komm rein". er schlug die plane zur seite und ich krabbelte hinein. "kleinkerl, wo bin ich denn jetzt?", denn ein zelt war's nur von außen. kleinkerl hatte es so eingerichtet, daß es aussah, wie ein zugabteil. er grinste, "ab in den süden, der galopp wird dir schon gefallen, hier die karte, dort das geld und hier die reisegesellschaft, voila, der herr mir kinnbart will am ende noch weiter, die dame hier, im kostüm verharrend, trotz steigender temperatur, wird sich beim schlafen in eigenartige stellungen begeben, keine zweideutigkeiten bitte!, und etwas spät, aber noch rechtzeitig, die junge weltenbummlerin". dann war kleinkerl von der bildfläche verschwunden, kam aber einen moment später zurueck. "und hier, voila, die besetzung für die rückreise, eine familie komplett, fünf, zwei halbwüchsige, mädchen um die zehn, vater, mutter, viel gepäck". "lass das doch jetzt mal sein, kleinkerl, ich will jetzt, daß die alle verschwinden, und wir endlich zum schlafen kommen, schmeiß die leute raus, oder besser, laß sie gehen!". "na gut", sagte er, "aber ich hätte dich schon gern auf die reise geschickt". "sind wir bereits", sagte ich, legte mich auf die matte und hörte ihn noch murmeln, als ich einschlief. ich ging an wasserstraßen entlang. jemand mußte die planke entfernt haben. ich sah die allee nicht mehr. "kleinkerl! wir treiben ab!", rief ich. er rieb sich die augen und wunderte sich. "die planke ist fort", bemerkte er, "wir treiben ab". ich sah ins gleisende licht des sterns, dem wir entgegentrieben. "wie kommen wir davon?" "das kommt darauf an, am besten du hilfst mir, meine taschenlampe ist leer und ich kann kein lasso werfen. kannst du nicht nachsehen, ob in deinem dritten auge, etwas energie zum laden übrig ist?". "ich versuche es", sagte ich, aber als ich die lichtringe wabern sah, fand ich ungewohnter weise darin eingebettet, gemalte bilder hindurch ziehen. so lang ich auch wartete, außer der kunst, befand sich dort nichts zur zeit. kleinkerl wartete ab. da knallte eine peitsche. "der wilde reiter", rief kleinkerl, "das trifft sich!". und wirklich, das traf sich, was für ein bild, hinter ihm schwang sich im tutu das mädchen abwechselnd mit dem reiter, unter dem pferd hindurch, warf dabei zettel ab. "ross und reiter fest ist bald" kleinkerl pfiff und ross und reiter stoben heran. das pferd stieg auf und schnaubte, schäumte. der reiter warf ein seil herunter und wir vertauten unser grasschiff, damit er uns ziehen konnte. weit waren wir abgetrieben, denn es dauerte, bis die pappelbäume wieder auftauchten. wieder angedockt, waren wir nahe genug heran, das wir über den abgrund springen konnten.  wir standen wieder auf der allee. das zelt brauchten wir gerade nicht, also ließen wir es dort. kleinkerl meinte "ich geh' jetzt mal aufladen, deine lichtringe waren voller kunst, kam nicht dazwischen, konnte nichts anzapfen, muss heranwinken. siehst du die hellen fünckchen? spring hoch und fang einen!". ich fing ihm einen und er konnte entziffern, wer ihn hergeschickt hatte. eigentlich soll man sie nicht auf's geradewohl vom himmel pflücken, aber kleinkerl konnte sie aus der ferne nicht entziffern. ich musste noch einige punkte fangen, bis kleinkerl überzeugt war, den richtigen zu haben. die nicht gebrauchten warf ich zurück in den höhe, wo sie kurz innehielten, sich einen ruck gaben und wieder ihren alten platz einnahmen. inzwischen war die ladestation angetrieben und machte sich mit gleissender lichtorgel bemerkbar, nachdem sie angedockt war. kleinkerl ging die taschenlampe aufzuladen.

"der reiter warf ein seil herunter
und wir vertauten unser grasschiff, damit er uns ziehen konnte. "