Dienstag, 11. Juni 2013

50. fortsetzung " nirgendwo"


ich stand vor dem spiegel, um den maler in der brosche zu betrachten. da nur der kopf aus der hülle schaute, hätte es auch ein wachsperle sein können. etwas fliegendreck an der richtigen stelle und man meint ein gesicht zu erkennen. ich zog das revers zum mund und sprach ihn an. "ich bin in sorge", sagte ich, "ich werde mir das genick brechen, wenn sie plötzlich wieder wachsen". ich malte mir aus, das es mich schlagartig zu boden reißen würde, wenn er mir, wie der buchhalter vorher, blitzartig seine pfunde auflastete. "ich nehme sie besser da raus". ich wartete die antwort nicht ab und löste ihn aus dem stofffähnchen. er machte sich ganz steif, zappelte garnicht, und ich setzte ihn auf dem tisch ab. ich löste den anstecker und legte ihn zurück in die schale, aus der ihn der buchhalter genommen hatte. dabei hatte ich den maler aus dem blick verloren und musste ihn suchen. er war, so schien es, froh auf den beinen zu stehen, denn er schwang das tanzbein, hoppla, da wäre er fast vom tisch gestürzt. "passen sie auf, wenn etwas passiert, muss ich dafür gerade stehen". ich beäugte ihn. er zeigte auf sein ohr. ich neigte den kopf und er hielt die kleinen hände an den wulst in meiner ohrmuschel. "genug getanzt, wir müssen los!", schrie er hinein. "was für ein schreihals", dachte ich. ich pflückte ihn mir vom ohr und hielt ihn vorsichtig zwischen zwei fingern. "wo soll es denn hingehen?", fragte ich ihn. "unterricht. es ist zeit für den unterricht". wie wollte der kleine maler denn fortkommen und wie hören und reden, er war immer noch ein winzling. "du sollst mich hintragen", rief er. er hatte die klebrige kleidung ausgezogen und sprang mir nackt an die brust. er hielt sich am hemdstoff fest und kletterte an mir hinauf. es dauerte eine weile, da kitzelte es am ohr. ich wollte schon den finger hineinstecken, da wurde mir klar, der maler war mir ins ohr gestiegen. "keine angst, wenn ich wachse, springe ich rechtzeitig raus", machte er mir mut, "aber jetzt musst du mich tragen!" der maler bat mich hinunter in den keller zu gehen. "in den keller?, fragte ich, "zum buchhalter?" "nein, zu dem nicht", antwortete er. ich hoffte die rhabarberinnen wiederzusehen und ging los. im keller war aber niemand zu sehen. der maler juckte mir im ohr. "hoffenlich dauert das nicht mehr lange", dachte ich, denn das jucken war kaum erträglich. vor der richtigen tür angekommen sagte er "da hinein". im raum standen wir schon wieder vor einer tür, zu einer kleinen kammer, kaum breiter als die tür und niedriger als der kellerraum. der maler wollte dahinein. drinnen war es dunkel. "da sind wir, von jetzt ab 1 minute und 34 sekunden", sagte der maler. ich hatte keine uhr. der maler hatte aber schon gestartet und ich hörte es ticken, bis es schrillte. dann wurde es hell und es zeigte sich die dritte tür. "du kannst sie jetzt aufmachen", sagte der maler, "wir sind am ziel". ich öffnete und hätte sie beinahe gleich wieder geschlossen, doch der maler sagte, "hier sind wir richtig, nur hinein, die teufel kennst du ja schon". sie kamen mir bekannt vor. ich schaute mich im klassenzimmer um und entdeckte auch kleinkerl darunter. der maler zeigte auf seinen besten schüler. es war ein junger schlanker teufel mit roten haaren, der nach vorn kam und darauf wartete, das ich ihn anwies. der schüler stand nun nahe genug, um den maler selbst zu hören. sie unterhielten sich vor meinem ohr. es war schwierig zu verstehen, denn eine amsel sang dazwischen. der rote ging und kam mit pinsel und farbe zurück. er sammelte sich. dann lies er den pinsel durch die luft sausen. die elektrische farbe blieb in der luft stehen und der strich endete ganz knapp vor mir, ohne mich zu treffen. die signatur war gelungen. der maler trat aus meinem ohr hervor und sprang auf die linie. er stieg hinab und wuchs allmählich, bis er, als er den boden betrat, etwa die größe von kleinkerl erreichte hatte und weiter wachsend unter den teufeln verschwand. "wer gibt den jetzt den unterricht", fragte ich kleinkerl. "der lehrer", sagte er, "da kommt er". "das ist nicht der maler!" "nein, der maler kommt und geht. der lehrer bleibt zum unterricht" ich setzte mich neben kleinkerl und nahm meine erste stunde.



"der maler trat aus meinem ohr hervor
und sprang auf die linie"