Freitag, 8. August 2014

99. fortsetzung " nirgendwo "


ich machte mich gleich an die musik.  da ich keinen komponisten fand, griff ich mir das erstbeste instrument, das ich in der auslage des geschäftes entdeckte und bezahlte. ich hatte ein waldhorn erworben. ich öffnete daheim den koffer und nahm er heraus. grazil, nicht zerbrechlich, aber leicht zu zerbeulen. ich behandelte es von anfang an vorsichtig, hielt es von mir, nahm es an die brust, hob es hoch, ließ es herab. ich steckte das mundstück auf und blies hinein, ohne einen ton heraus zu bekommen. taub. stumm. mir schmerzt der kopf. dann lasse ich die musik erst einmal weg und mache mich an die geschichte. dazu bräuchte ich allerdings figuren. ich griff mir an die hosentasche und tastete nach dem messer. "kein kasperletheater!", rief ich, "eine operoperette, tatta,trara!". wenn ich doch wenigsten einen trauermarsch blasen könnte, schon. oder einen militär beschmettern, daß im die uniform abfällt. da! das erste bild. festhalten. ort. strassenbahn. akteure. friedchen, das ist gerdchens mutter, jetzt noch nicht, natürlich. ein fremder soldat in der uniform der sieger. statisten sitzen und starren auf den boden. text soldat: "katze im keller spielen mit maus". keiner rührt sich. soldat: "was lacht ihr nicht? was ist los?, der hund ist los, katze im keller spielen mit maus". friedel, in der uniform der schafferin lacht und sieht ihn an, den soldaten, der seinen kopf durch tür gesteckt hat, um sein publikum, das besorgte, zum lachen zu bringen. die blicke treffen sich. welche?. friedels und des soldaten blicke treffen sich und...ein scharfes quietschen der eisenräder im gleis. kurve. da muss jetzt eine arie hinein oder überhaupt durchkomponiert, durchgehender gesang, handlung, handlung und dann wie eine explosion....was...? das waldhorn lag im offenen kasten und krümmte sich um sich selbst, lag wie ein katze. wenn es doch schnurrte, blieb doch stumm, verlockend, das goldene horn. wenn es nicht nacht wäre. ich wünschte mir so sehr, das es bei mir zu singen begann, feierlich und edel. ich wollte dann mit ihm wieder hinaufsteigen, wie ich es einst auf kleinkerls taschenlampenstrahl sprang, einen sprung wagen auf klingende wege und die sterne besuchen. ich glaubte schon es klingen zu hören, aber es klang von fern, nicht von hier. es klang durchs offene fenster. woanders erklang ein horn und rief mich. ich spürte die sehnsucht und suchte einen weg hinüber zum fernen spieler, zum musikus, der mich herzte. zurück zur szene. nachdem der soldat, friedchen, das schönste spiegelbild ihrer selbst, hinübergesungen hatte und sie die taler aus der schaffnertasche fallen lies, weil sie meinte, es müsse so sein. die geldstücke kullerten über den boden, den fahrgästen vor die füße. wer nicht ehrlich war, stellte den fuß drauf. kann ich verstehen. jetzt nach dem krieg. friedchen hatte die tasche fast leergeklimpert, da drückte der soldat ihr schokolade und zigaretten an die brust. sie fasste seine hände und er bat sie um ein rendevue. singend natürlich. die eisernen räder der bahn beherrschten sich und vermieden scharf zu quietschen. sie bekamen es hin, einen simplen refrain zu rattern, mit einem hellen klingklang zum ende. na siehste punktkaro, fängt doch gut an, also gleich an das zweite bild. im wald. am see. eher ein tümpel. bei den erlen. der soldat liegt mit friedchen am ufer und hat erneut schokolade dabei. wurst würde nicht passen. kann ja sein, daß es wurst gab, aber passt nicht. wie soll friedchen singen mit einem wurstbrot. nein. nein. schokolade. coca cola. zigaretten. friedchen hustet. hat noch nie geraucht. er lacht. also hier muss ein ländler hin, wenn es das waldhorn will. ich sah es grimmig und es duckte sich im kasten. so bis morgen. gute nacht.



friedchen hatte die tasche fast leergeklimpert, 
da drückte der soldat ihr schokolade und zigaretten an die brust