Dienstag, 12. November 2013

77. fortsetzung "nirgendwo"


ich blieb immer weiter zurück, konnte nicht mehr folgen, nagte am zweifel, artig das alte brot kauend, ein stilles mäuschen im weiten feld. der trupp war mir entfleucht. die rhabarberinnen schnatterten, aber ich hörte sie nicht mehr. der buchhalter, als wandersmann erschienen, eilte voran. wohin so eilig. oh je, das feld, das streckt sich und mäuse, kleine mäuse sitzen starr. ich luge über die krume und groß ist sein schuh, er tritt und tritt. was für ein kerl. sieh da, es ist der erbsenstreuer, er führt falsch. es ist der falsche, der da führt. "halt, lana, halt!, nicht weitergehen!". mein mäuseruf, ist doch nur feines fiepen, schrill, dann starre ich wieder. wie sie eilen. wie fettig die krume an der hand klebt. ich grabe, komme ich je wieder hier raus?, furche um furche, umlaufe jeden krümel. die glimmernden steine in der erde. so schön. die eisblumen am fenster, sind die ganze woche gewachsen. da ist ein sprung in der scheibe. das feuer geht aus. morgen wird es wieder brennen. ich wackele im bett. das baby schläft noch drüben. ich bin allein. der wind rüttelt irgendwo. was ist, wenn es nicht mehr hell wird. ich kann nicht raus. opa schläft neben oma. ich bin klein, wie eine maus. das weiß ich nicht. ich wachse zu schnell. ich bekomme keine luft. dann holen sie den arzt. ich bin wieder zurück. der opa hat geweint. bin doch gesund und huste nicht mehr. wie die quarzlampe gut riecht. "gerdchen", ruft opa, "wir gehen in den wald". oh ja, und wie wir in den wald gehen, ist schon wieder sommer. und opa nimmt mich überallhin mit. ich träume schon. "das jungchen hat wohl schlapp gemacht!",  sagt der buchhalter und beäugt mich. die rhabarberinnen stehn mit ihm kreis. lana kniet neben mir und legt mir den kopf hoch. ich fühle mich so leer. hab ich denn hände? ich versuch's erst garnicht. "ihr dürft ihn aber nicht im feld begraben!", schimpft der schwarze vogel. "ja, sei ruhig, das wollen wir auch garnicht", antwortet der buchhalter. "lana, ich bin so schwach", hoert sie mich?, hab nichts gesagt. opa war mit mir beim schwarzwaldmädel. haben die schöne hüte gehabt, mit roten kugeln. die rhabarberinnen summten schon. ach, bitte, bitte, summt, weißt du, so wie es summt, wenn bienen vor den blüten stehen. "lana, hast du mich verloren?". "nein, punkt, du bist nicht tot". "lebe ich?". "ja! bald spürst du es." das bienchen summte garnicht fein, es brummte gar und verschluckte sich. rückwaerts fliegt es, auf zur nächsten tüte. leckereien. die bonbonreste in der tüte für den fünfer. was ist da alles drin?, "i gitt!, eins ist ranzig". "was redest du?"  "ach lana, war beim knusperhäuschen, bonbonreste kaufen". der himmel verfinstete sich. "da, der erbsenstreur will mich holen!". "was redet er nur, das jungchen?". "er ist es nicht, er greift in die tasche, sieh doch, lana, er greift, um erbsen zu streuen". ich kann sie riechen. die fette erbsenmast. die schale platzt. da springen alle mann auf einmal aus der erde. hui! wie das weht. sie springen neben mir heraus. einmal noch. wieder alle. und noch einmal. wieder alle. "du nimmst ihm das licht, buchhalter, beug dich nicht so tief hinab". da fährt er hoch, der kopf. und wieder scheint die sonne auf die vogelscheuchen. das feld ist umgepflügt. die krähen finden reichlich futter. "tragt ihn, fragt ihn", schnatterte lana den rharbarinnen zu. die fragten mich zwitschernd, wie das vöglein, das hoch über dem feld steht. "willst du hoch zu mir?". "ja, vöglein, ich will hoch dir!". da wurde mir leicht. ich lag auf weichen kissen und lana folgte. ich sah ihr liebes gesicht ganz verkehrt, ach wie lustig das war. "wohin geht die reise?", fragte ich frech. "ach", sagte lana,"wir ziehen so durch's freie feld und wenn's dir besser geht, kommen wir vielleicht, vielleicht, na, mal sehen, jetzt ruh dich noch!". der buchhalter sah sich nach mir um, "hat wohl wenig gegessen. nicht gefruehstueckt. ja, ja!". ich sah ihn garnicht gern, aber er wird es ja wohl sein, der buchhalter, ja, er ist's, denn als ich nochmal blinzelte, da blinzelte er zurück, der kerl.    



Samstag, 2. November 2013

76. fortsetzung "nirgendwo"


ich war im oberstübchen gelandet und äugte vorsichtig aus dem fenster, so wie einer, der nicht gesehen werden will. aber kaum sah ich heraus, traf ich lanas blick. alle standen vor dem wirtshaus, das jetzt ein ruhiger ort war. tische und bänke waren ausgeräumt. eine lange bank, an der wand beim eingang, hatte man stehengelassen. da saßen die männer nebeneinander. da sie keine ahnung hatten, warteten sie nicht. die frauen versorgten sie, brachten sie abends nach hause und morgens wieder hierher. das war nun die regel. eines tages, es war wohl eine woche vergangen, daß ich im oberstübchen saß, unentschloßen, mit schlechten gewissen, lana und die anderen warten zu lassen, da lärmte es im oberen flur. die schnauzbärte hatten die erbse im ausguß verloren. da war ihr bad mit dem führer beendet. sich gegenseitig die schuld zuweisend, polterten sie die treppe hinunter, nur das handtuch umgebunden. sie bekamen gar nicht mit, daß das wirtshaus ausgeräumt war und waren schon am ausgang, als sie da den buchhalter bemerkten, der dort mit den anderen seit tagen stillstand und darauf wartete, das ich mich doch noch entschlöße. sieh an, dachte ich, es geht doch noch etwas voran. das wunderte mich, denn  immer wenn ich aus dem fester sah, standen sie still und warteten, nur lana erblickte mich jedesmal. sie stand neben punkt karo, der nicht gut zu sehen war, er stand mit dem rücken zu mir. er schien unentschlossen, steckte sie hand in die tasche, zog sie wieder heraus, strich sich durchs haar, wie ein aufziehmännchen, das hakte. lana deutete mit beiden händen auf punkt karo, sah mich fragend an und hob die schulter zur frage. "komm doch endlich" schien sie sagen," punkt karo will ohne dich nicht weitergehen und wir auch nicht. sollen wir ewig hier unten stehen?" die schnauzbärte hatten sich, vor dem buchhalter flüchtend, über den haufen gerannt, ohne erbse, ohne führer, ohne kleider. der buchhalter nahm die beiden an die hand, zog die nach vorne gebeugten schlotterten nackten, die sich kaum sträubten hinter sie wendetür, wo sie ins nichts fielen. er schloß ab und schaute vergnügt, als er zurück kam. ich versteckte mich nicht mehr hinter der scheibe, sondern öffnete das oberstübchen und ließ, tagelang eingeschlossen, endlich luft hinein. "lana", rief ich und zeigte auf punkt karo, "bin gleich zur stelle". punkt karo sah nach oben und sagte, "lana, wir können gehen!"

Mittwoch, 9. Oktober 2013

75. fortsetzung "nirgendwo"


"es ist ja so still und schön hier im tal", raunte josef seinem nachbarn zu, den er anscheinend sah. doch zurück. die rhabarberinnen hatten platz gemacht, hatten sich neben der tür aufgestellt, die weit geöffnet war. draußen wehte der nachtwind ein letztes mal, überlies dem morgen seine flure, rüttelte noch einmal am birnbaum, in dem die ersten amseln zu singen begannen. die morgenröte stieg auf und allmählich glich sich der raum, in dem alle noch verharrten, an. die aufgehende sonne brachte den tag und der brachte die lange erwarteten. tipsi traf ein. es hatte gehupt und fast war es wie früher, als der bus noch regelmäßig hin und her fuhr, etwas später nur. der wirt zog die taschenuhr heraus und schüttelte den kopf, als er merkte, daß der bus zu früh eintraf. er brachte auch noch lana, den buchhalter und den lindenwirt herbei. nun konnte das gericht gehalten werden. zuerst kam es aber noch zu einem wiedersehen. lana umarmte mich und lachte mich an und ich drückte sie fest an mich. auch der maler freute sich über den buchhalter, den er nach dem zerwürfnis über die reisekammern daß erste mal wiedersah. die freunde begrüßten sich. der lindenwirt stand bei tipsi und war etwas verlegen, hatte aber dann damit zu tun, schon die runde der säufer zu beäugen, die alle sehr trocken dasaßen. der durst war wohl da, aber da es nun ernst wurde, saßen sie unruhig und schluckten nur nach luft. er sah sie grimmig an, als wüßte er schon, daß sie lumpen sind. tipsi begann. sie wandte sich den rhabarberinnen zu und damit war der prozess im gange. lana hatte sich zu tipsi gesellt und die beiden rhabarberinnen auf erden, die sie ja waren seitdem sie sich entschloßen hatten hier zu bleiben, teilten den rhababerinnen, die gekommen waren um zu richten, mit, was damals in der mühle geschehen war. sie taten es ohne zu reden, beinahe lautlos. nur zwischendurch erklangen laute, die den schmerz und vorallendingen die pein erahnen ließen, die tipsi und die zwerge erlitten hatten. schmerzen die tipsi empfand, weil sie auf erden war, und pein, weil sie eine rhabarberinn ist, die eine so gemeine tat das erste mal erlebte. tipsi und lana bewegten sich während der klage und beschworen die gemeinheiten, die angeklagt wurden, mit gesten, lange anhaltende gesten, die bewirkten, das der raum zu schwingen anfing. da stand ich bald im maisfeld, das licht wechselte, dann wieder im feuchten schilf. halme im wind, peitschender regen, blitze, grelle sonne, eine vogelscheuche. das urteil verkündeten die rhabarberinnen, nachdem sie tipsi und lana, die aus der trance fielen, aufgefangen hatten. sie wurden hingelegt und mit dem türvorhang, den der lindenwirt heruntergezogen hatte, zugedeckt. es ging ihnen gut, aber sie waren ermattet und sollten ruhen. die rhabarberinnen gingen zum richten von einem zum anderen und alle wurden von ihnen behandelt. die gemeinsten zuerst. dazu traten die rhabarinnen vor sie hin und nahmen sie in die mitte. sie schnatterten und summten, bis der ton gefunden war. so schufen sie ein weites stilles tal im kopf des bestraften. nichts sollte ihn wieder fortbringen von dort. er sollte nur stille sitzen und in die ferne schauen.   



"so schufen sie ein weites stilles tal im kopf des bestraften.
 nichts sollte ihn wieder fortbringen von dort"


Montag, 30. September 2013

74. fortsetzung "nirgendwo"




schlag zwölf ging die tür auf. knarrend. sie wurde von außen aufgestoßen und gleich wieder geschlossen. die beiden, die herausstürzten, als hätte sie jemand gestoßen, landeten auf dem fußboden.  es ist immer dasselbe, wenn um zwölf die wendetür aufgeht, dann werden die hinausgeworfen, die sich drüben versteckt hatten, um nicht bis zum nächsten wochenende warten zu müssen. dummköpfe, wissen sie denn nicht, das in der woche nichts läuft. da wird alles abgeschaltet und keines der mädchen winkt mit dem finger, wie am sonntag, wenn hochbetrieb ist und kitti, katti, ketti, kotti, kutti locken, auch klone. aber das fällt den männern nicht auf. sie bekommen, was sie wollen, geschminkt oder blind. dann aber schlagartig türschluß. vorher drei sirenen, dissonant und störend, wie es sein soll, dann rattengang, dann rindergatter, dann zurück ins dorf. doch wer sich jetzt versteckt hat, wundert sich zuerst, bevor er sich fürchtet, im dunkelen, im nichts, im garnichts. er wird wahnsinnig, denn keine wand, kein möbel, kein fußboden, garnichts ist noch da. er sackt zusammen, hockt oder liegt oder steht oder geht im garnichts. fünf tage lang. dann taucht ein kehrmaschine aus dem garnichts auf, bedient von einem kleinen mann mit runder brille und guten manieren. die bummler starren ihn an. sie können kaum sehen, nach tagelanger dunkelheit. deshalb hält der mann die lampe auch gedämpft. blenden soll er sie nicht. das ist nicht sein auftrag. er sieht die bummler freundlich an, reicht ihnen sein pausenbrot und wartet, bis sie es verschlungen haben. er gibt ihnen auch zu trinken. dann weist er ihnen den weg zur tür und öffnet sie. das reicht aus. sie stürzen von selbst hindurch. es ist kein arschtritt nötig. sie kommen auch so ins straucheln. landen auf dem boden. junge burschen. das erste mal drüben. zum gelächter der alten säufer. doch diesmal sollte dem schrecken noch einer folgen. gerade als die säufer anfingen schadenfroh anzüglichkeiten brüllend in den raum zu spucken, die jungen an ihren tischen herumzerrten, bis sie endlich sitzen durften, "bier her!" riefen die säufer, da begann ein toben in der luft. eine gleissende helle drang herein. sie waren gelandet, die rhabarberinnen, um zu richten. als ich wieder sehen konnte, erblickte ich die stangendürren rhababerinnen, wie sie hereinkamen und stehen blieben. sie nahmen kaum raum ein, so dürr waren sie und so waren es wohl an die zwanzig, die dort standen. eine begann mit dem schnarren, das sich mit nachhall übersetzte und verständlich wurde, wobei betonung und gewohnte pausen fehlten. die rede erklärte, daß jetzt ein gericht gehalten werde, über die, die beteiligt waren, mit wort oder duldung, an dem, das tipsi angetan wurde. am ende der rede herrschte stille. die einen schwiegen vor furcht und die rhabarberinnen schwiegen einfach und warteten ab. nach einer weile hatten die säufer sich vom schock erholt und wollten aufbegehren. da funkte ihnen aber sofort eine welle entgegen, die sie auf den boden warf. danach versuchte keiner mehr was. "sie warten auf tipsi", sagte der maler.



""bier her!" riefen die säufer,
 da begann ein toben in der luft.
eine gleissende helle drang herein.
sie waren gelandet, die rhabarberinnen, um zu richten"




Freitag, 27. September 2013

73. fortsetzung "nirgendwo"




"hier!, passen sie auf ihren führer auf, meine herren", der maler hielt die erbse hin und die schnauzbärte griffen nach ihr, dabei fiel sie wieder zu boden und sie krochen auf der erde herum. "und denkt daran, immer gut wässern, das hat er gern, und noch etwas, der tip des tages, ab in die
wanne, die erbse behutsam in der hand gehalten und dann baden die herren nackt mit ihrem führer, na! ist das nichts? und nun empfehlen sie sich, ich wünsche noch zu plaudern", er zeigte auf mich, "mit punkt karo und wenn es die ganze nacht dauert, keine störung mehr, bitte, punkt!". die schnauzbärte, die ihren führer nun wieder in der hand hielten, der rote durfte ihn halten, verabschiedeten sich rückwärts gehend fortwährend dienernd. "fein! fein!", riefen sie, "ganz fein! ja ein bad, ein bad wäre ganz fein!" "sie sind nun beschäftigt und wir tagen weiter, punkt karo". ich war mit dem maler bisher nicht warm geworden, zu fremd war er mir und die art, in der er sich gab, an der theke, vor den leuten, als wäre er ihr herr, gefiel mir nicht. "maler, hast du den keinen namen?", fragte ich hölzern. "nein, den tragen wir generellen nicht", erklärte er mir und wieder störte ich mich am ton, "es sei denn jemand gibt uns einen, den dulden wir, wenn er nicht arg ist". ich fuhr fort, vergaß alle regeln eines leichten gesprächs und fragte erneut, ohne daß sich bei mir wissbegier abzeichnete, sicher blass und mit müden augen, "maler, hast du schon bilder gemalt". verunsichert, ob ihn meine art zu fragen nicht störte , fragte ich noch steifer, "hast du schon ein bild gemalt?" jedes kind hätte besser gefragt. ich fragte so, als läse ich die fragen vom zettel ab. "bilder habe ich gemalt", antwortet er, "ich nehme es nicht so wichtig, wie die künstler, aber es ist durchaus amüsant. das elektrische bringe ich dort lieber nicht hinein, wie einst der generelle, der ein porträt malte, das anstelle des darstellten alterte. er verlor sein ansehen und seine fähigkeiten und bemalte danach nur noch porzellan". wohl vom ärger über seine hochnäsige art, schoß mir wieder blut in den kopf. bevor ich etwas einwenden konnte fuhr er fort, "ich sehe künstler, die versuchen ihre bilder  lebendig erscheinen zu lassen und ruhen nicht damit, bis es ihnen scheinbar gelingt. kein wunder, daß ihnen geister und daimonen von hinten die stirn graulen und um die brille streiten, sie zu halten. aber es ist ihnen freigestellt, etwas erobern zu wollen, an das wir schon gebunden sind". dann kam er auf mich, "deine signaturen sind gut, zumindest teilweise funktionieren sie, aber was soll die zweite durchscheinende signatur auf der rückseite, das verträgt sich nicht, laß das sein. ich sehe, du versuchst die elektrische farbe nachzuahmen, mit dem fuzzeligen pinsel, gut daß du keine hast, sonst wirst du uns noch begeistern", er lachte darüber.  fragen vom zettel brauchte ich nun keine mehr. ich versuchte wieder etwas über tipsi herauszubekommen. jedes mal wenn der name "tipsi" fiel, kam unruhe in der schenke auf. einer der betrunkenen lärmte, "die hure hat hans und georg getötet". ich wollte hin und ihm sein glas ins lästermaul hauen. der maler hielt mich aber am ärmel, "lass nur, das wird ihm bald heimgezahlt, warte nur, bald", raunte er vielsagend. unser gespräch wurde allgemeiner. es kreiste um ort und umgebung, wie man wohin käme. der busverkehr war immer noch unterbrochen und ein fußmarsch zur stadt würde durch sumpfland führen und war wegen der riesenschweine gefährlich. "aber", wandte ich ein und zeigte auf die säufer, "die müssen doch auch mal raus, die sitzen doch nicht tag und nacht hier". sie klotzten herüber. "wo gehen sie sonntags hin?". "na, durch die wendetür", sagte der maler und zeigte in den gang, der zum klo führt.  ich sah aus dem dunkel heraus kaum sichtbar eine tür, eine blechtür anscheinend, die ich als zugang zum vorratsraum gedeutet hätte. "da habe ich aber noch keinen hineingehen sehen", sagte ich. "es ist nur am wochenende geöffnet". "und was ist dahinter?" "alles weitere, zuerst ein bordell, dann die kirche und letzten endes auch der schlachter. letzten sonntag, kam einer mit einem halben tier über der schulter heraus, ihm folgte die witwe von georg, dem georg der in der mühle war und bitter bezahlte, für das was er tipsi antun wollte". "was ist passiert, maler?", flehte ich ihn an, "du weisst es doch mehr, erzähl nur!". "gut, dann die geschichte, die böse endete, als zwei..", er stand auf und erzählte sie laut,".. besoffene kerle beschlossen noch spaß zu haben, und weil die wendetür geschlossen war, es war ja erst dienstag, na, was haben gerufen, ihr wart doch alle hier, ihr habt es doch gehört und sie noch angeheizt, "ja geht zu tipsi, und nehmt sie euch, nehmt sie euch..", das habt ihr geschrien, besoffen, bis sie gingen. was dann in der mühle passierte, werden wir bald erfahren, wenn tipsi zurückkommt, und sie kommt zurück, das verspreche ich euch, die rhabarberinn kommt zurück!". dann setzte sich der maler wieder, den ich nun bewunderte, weil er so aufbrauste. die säufer lallten wieder unter sich, tuschelten leiser und patschten sich selbst über die wange, wischten sich mit dem handrücken den schweiß von der stirn, bekamen wieder etwas eingeschenkt und starrten wieder ins glas. ich sah nach der blechtür, der angeblichen wendetür, "ja, kann man nicht durch sie in die stadt kommen. irgendwo muss es doch dahinter rausgehen?". "nein, erklärte der maler müde, "alles dahinter ist ein geschlossener raum. ich weiß noch nicht einmal, wo er angesiedelt ist, vielleicht garnicht auf der erde. bisher hat noch niemand mit der spitzhacke gegen die wände gehauen". 




"die schnauzbärte, die ihren führer nun wieder in der hand hielten,
 der rote durfte ihn halten,
verabschiedeten sich rückwärtsgehend fortwährend dienernd" 





Dienstag, 24. September 2013

72. fortsetzung "nirgendwo"


"da kommt punkt karo!", riefen die schnauzbärte, beinahe zeitgleich und schlugen die beine übereinander, mehrmals wechselnd, im rhythmus, als führten sie ein tänzchen auf, dabei hielten sie die arme verschränkt, und riefen "hossa!". sie wiederholten sich. "da kommt punkt karo! hossa!, riefen die schnauzbärte, beinahe zeitgleich und schlugen die beine übereinander, mehrmals wechselnd, im rhythmus, als führten sie ein tänzchen auf, dabei hielten sie die arme verschränkt, und riefen "hossa!". den maler hatten sie zwischen sich an der theke. als ich den "krug" betreten hatte, fing ich mir einige blicke ein, die köpfe senkten sich aber gleich wieder über die gläser. ich trat vor die schnauzbärte, "geht weg, ich will mit dem maler sprechen!". "punkt karo", zogen sie meinen namen genüßlich in die länge, "ist keck. wir sollen vom fleck. keck. keck".  sie zeigten auf den maler. "schau, der maler will nicht sprechen, er dreht sich nicht, er will wohl nicht". der maler saß wirklich mit dem rücken zu mir und blieb reglos, ohne es den säufern gleichzutuen, die zusammengesunken an den tischen hockten. er saß entspannt. ruhig mischte er sich ein, "lasst mich allein mit punkt karo", bat er, ohne sie anzusehen. die schnauzbärte streckten die beine von sich, drehten daumen und wackelten mit den köpfen. dann knallten sie die hacken zusammen, sprangen von den hockern und klopften mit den knöcheln auf den tresen. "pass auf maler, er wird es dir vielleicht nachtragen, sein schönes haus, alles verbrannt" sie begannen einen abzählreim lautlos aufzusagen und machten so als rieben sie sich tränen aus den augen. "wir sind bald wieder da", sangen sie fast und verschwanden nach oben. der maler drehte sich um und sah mich ernst an, "punkt karo, so sehen wir uns wieder". ich hatte ihn damals kaum wahrgenommen, als er mir aus dem ohr fiel und sich davonmachte. nun sah ich ihn das erste mal deutlich vor mir, den maler, den mir der buchhalter nahe bringen wollte. was machte er nur hier bei den schnauzbärten. "wo ist tipsi?", sprach ich ihn an, den ich war in sorge um sie, "was wolltest du bei mir, wer hat feuer gelegt?". "komm", sagte er, "wir setzen uns dort ins eck. herr wirt, zwei tee!". wir saßen am stammtisch, der bunte wimpel zog eine grenze und wir gossen sahne in dampfenden tee, der noch knisterte. nachdem der maler einen schluck getrunken hatte, sah er mich an, "die rhabarberinn ist verschwunden, sie ist wohlauf. doch die polizei sucht sie", begann er mit der antwort auf meine fragen. er zögerte, es wollte ihm nicht über die lippen, denn der vorwurf gegen tipsi war ungeheuerlich, "sie wird wegen mord gesucht" "was...?, wegen mord, das ist doch ganz unmöglich, wen soll sie denn umgebracht haben. tipsi doch nicht!" "du hast die mühle gesehen?", fragte er. "ja, da hat es auch gebrannt". "nicht nur das! man hat nach dem löschen zwei männer aufgefunden, zwei aus dem dorf, tot, und nicht durch den brand. die rhabarberinn hat sich aber retten können, da bin ich sicher. mehr weiß ich nicht!". ich war verwirrt und immer noch besorgt. "was willst du hier, maler, bei den schnauzbärten, weiß den der buchhalter davon?" "ich will nicht darüber reden, es muss geheim bleiben, nur das, was du eh erfährst, die schnauzbärte werden sich schon brüsten, mich hier zu haben". "also bist du nicht gezwungen und könntest fort, auf der tinte. kannst du mich nicht zurückbringen, zum buchhalter vielleicht, meine reisekammer ist mit verbrannt. oder weisst du eine reisekammer hier im ort?". "nein, ich will bleiben und tinte hab ich auch nicht genug, auch keinen pinsel. ich fürchte, du kommst auch nicht hier weg". "was wollen die schnauzbärte von dir?". "denen genügt es, wenn ich scherze. hauptsache, sie glauben mich zu haben, des buchhalters generellen". er schwieg und wir nippten am tee. nach einer weile sagte der maler, "so, sie werden sicher gleich wieder runterkommen", und sah zur treppe. "zeit für eine vorstellung! sieh her, siehst du die erbsen hier? das sind keine erbsen, nur tarnung, kleiner scherzartikel, warts ab, wenn sie die treppe hinabkommen, dann gehst los". er nahm ein erbse heraus und barg sie in der hand. "reich mir mal die vase, ah, gut, ist nach wasser drin". er stellte die vase auf den tisch zu dem wimpel. da polterte es auch schon auf der treppe. "sie kommen", sagte er und hob die blumen an, um die erbse ins wasser zu werfen, "wenn es mal sein muß, bekommen sie eine in den whisky!". da standen die schnauzbärte bereits am tisch. bevor sie aber sprechen konnten, ging die erbse los. die blumen flogen aus der vase. dann krabbelt noch etwas heraus. es zog sich hoch, ergriff den vasenrand und stemmte sich hinüber, lies sich fallen. es rollte vom tisch, kam auf die füße und entfaltete sich direkt vor den schnauzbärten, das bild ihres führers stand im prunkrahmen auf nackten beinen und es tönte die hymne des doktors, der sie geschaffen hatte, denn sie waren klone. die schnauzbärte standen sofort stramm und salutierten, zogen sich gegenseitig am bart, schrien wenn es wehtat und gaben sich den bruderkuss. "plopp" machte es, als die verirrten zungen aus den mündern flutschten. das bild des führers fiel ihnen zu füßen, der doktor krächzte, die stimme versagte, dann war es weg. sie sahen sich verdutzt an und sagten, "nicht wahr, es war doch der führer!". "ei", sagte der maler, "eine erbse!" und hob sie auf. 



"sie sahen sich verdutzt an und sagten,
"nicht wahr, es war doch der führer!".
 "ei", sagte der maler, "eine erbse!" und hob sie auf."




Mittwoch, 18. September 2013

71. fortsetzung "nirgendwo"


ich hatte keinen knopf im ohr, hörte aber stimmen, eine stimme. eine stimme, die ich kannte, weil er genau dort gesessen hatte, der maler, im ohr. "bist du wieder in meinem ohr?", fragte ich, denn ich wollte ihn, falls es so ist, nicht mit dem finger zerdrücken. ich hörte nichts, keine antwort. als ich dachte, "habe ich mich wohl getäuscht", kam sie, "du hörst mich und ich höre dich", sagte es im ohr, "nein, ich bin nicht im ohr. ich bin hier im zimmer, zum krug, im dorf!". "aber warum höre ich dich denn?". "habe an dich gedacht, still!...", dann hörte ich wieder nichts. "kann wieder reden, ich sprach und du hast geantwortet. wer weiß, wie das geht. ich sitzte hier im zimmer fest, sie lassen mich nicht gehen. ich war es nicht, aber sie sagen, ich hätte das haus angezündet". "was sagst du da? du warst das?!. ich hab dich gesehen, du bist weggerannt". "ja, aber weil es brannte. ich wollte zu dir und dann brannte es überall".  "ich will dich sehen, maler, ich habe viele fragen und wollte gerade ins dorf gehen, vorher nach tipsi sehen, der rhabarberinn". der maler antwortet nicht mehr. es rauschte im ohr. "ohr", sagte nepomuk, hielt den kopf schief, die hand am ohr und sah mich sorgenvoll an. "nein, nepomuk, mir tut das ohr nicht weh". ich sah die beiden an, "wo geht ihr denn hin, ich will ins dorf". "ich mit ihr", sagte nepomuk und die zwergin hielt seine hand. "gut, dann geh ich jetzt", sagte ich und war versucht nepomuk die hand zu schütteln. die beiden zeigten zum wald hin und dort gingen unzählige kleine lichter an, so daß ich den weg sehen konnte. sie waren so hell wie sterne und ich konnte nicht hineinsehen, dabei waren sie klein wie funken. die meisten standen still am selben platz, einige schienen vor mir herzuziehen, dann dröhnte der boden, als ob jemand durch den wald galoppierte. ich spürte einen windhauch über meinem kopf und eine feder streifte mich. es brauste und lärmte. dazu kamen geräusche von rädern und gestellen, die ächzten. immer mehr unsichtbare schienen vor mir auf den weg zu drängen, als wollten sie mir als schar dienen, hinter der ich sicher ins dorf käme. da war der wald zuende und die felder erreicht. nun sah ich auch das erste mal die mühle. als ich näher kam, war sie unheimlich. nichts deutete darauf, daß sie bewohnt war. dunkel stand sie dahinten und kein laut drang heraus. wenn sie schliefen, auch dann wäre es nicht so totenstill. nein tipsi war nicht mehr hier. ich rüttelte an der tür, doch sie war verschlossen und da sah ich das die fenster, die scheiben eingeworfen. es roch nach kaltem rauch. auch hier hatte es gebrannt, aber die mühle stand noch.



" es brauste und lärmte.
dazu kamen geräusche von rädern und gestellen, die ächzten"