Samstag, 15. Januar 2011

S(tuttgart)21

den juchtenkäfer sieht man kaum
er lebt im baum
im park
beim schloss
in diesem garten 
in den die guten leute gehen
den sie durcheilen
sitzen
stehen
beim schach verweilen
den juchtenkäfer sieht man kaum
ich sah ihn nicht
im schweren traum
da hört ich risse
tritte
und im gelände
eine tiefe grube 
in der es stöhnte
kein baum
den juchtenkäfer sieht man kaum

jean boskja missler


DIE TALENTE DES MALERS, Text 38: vom Esel gelesen

DIE TALENTE DES MALERS, Text 38

Im fernen Amt gedachte man dem Wasserhelden auf andere Weise. Hier war er bekannt als der Notnagel der neuen Therapie. Seine letzten Anträge hatten den Lauf durch die Stuben und über die Tische hinweg schon vollbracht und lagen jetzt  abgesegnet zur Unterschrift bereit. Keiner der Herren, die sonst mit Sucht und Verückheit befasst waren, wollten das Feld betreten, welches da nett eingezäunt und zum gießen bereit von höchsten Stellen sorgfältig geplant und angeordnet, auf den Gärtner wartete. Man fand einfach keinen Seelenkundler, der bereit war, das wecken kreativer potentiale aus seiner Therapie herauszunehmen. Die von ihnen Geheilten stellten zwar  keine Gefahr mehr dar, ließen sich aber von nun an schamlos vom Amt als Künstler alimentieren. Auch jene, die den Beruf professionell ausübten litten unter der Marktlage, zumal die Galeristen hilfsweise Philosophen an Stelle der Künstler unter Vertrag nahmen. Nur die waren bereit die Kunst zur Endkunst zu formatieren und die Ergebnisse auf den Großveranstaltungen zu präsentierten. So wuchs dem Amt eine Schar brotloser Künstler zu. Das Amt übernahme bereitwillig die Argumentation der Philosophen und erklärte die Künstler nun zu Kunstsüchtigen. Dies hatte zu Folge, das eine Therapie hermusste, die von dem Drang heilte Kunst herzustellen, da der abhängige Künstler nicht mehr in der Lage schien, sein brotloses Gewerbe übergangslos liegenzulassen und einer anderen Arbeit nachzugehen. Es gab auch Fälle, in denen sich Malerfürsten weigerten ihre Schlösser zu verlassen und in Wohnungen umzuziehen, die das Amt ihnen zugestand.  Da es  voraussehbar war, das die Kunstsüchtigen unter dem harten Entzug leiden würden und Selbstmorde nicht auszusschließen waren, konnte man ihnen erst nach erfolgreicher Therapie eine neue Arbeit oder eine neue Wohnung zumuten. Als der Wasserheld, ein aufmerksamer Leser und interessiert an Umbrüchen, Wind bekam von der Not des Amtes,  bot er sich an, unter falschem Namen und durch Vorlage eines Konzeptes, das er durch schlichtes umschreiben von klassischer Literatur erfand, in seinem Sanatorium, zur Zeit abgebrannt, die Kunstsüchtigen zu therapieren. Gelder für den Wiederaufbau beantragte er gleich mit. Die Herren der Zunft heulten auf, konnten aber  nichts ausrichten und so wurde der Wasserheld der vorerst Einzige, den man damit betraute, Süchtige von dem Drang zu befreien Kunst zu schaffen.

DIE TALENTE DES MALERS, Text 36: vom weissen Pferd gelesen

DIE TALENTE DES MALERS, Text 36

Die Hände auf meinen Schultern habe ich nicht dorthingelegt. Wie auch, da doch die Fingerkuppen zur Brust gerichtete sind. Ich greife danach, meine Arme kreuzend, und spüre die zarten Finger der Ertrunkenen. Sie greift tröstend nach meinem geschundenen Kopf, kühlt mir die Stirn und wiegt mich im Gesang. Doch finde ich Ruhe? Der Fischtäuscher wird sie schon vermissen, denke ich, und Scham überfällt mich. Ich fahre fort mit der Betrachtung meines Bildes. Mein Blick berührt den Horizont und bemerkt den dürren Ast, der dort als ungewollter Pinselstrich die Angelrute verdeckt. Der Ast bricht ohne Geräusch und fällt ins Wasser. Sofort schwimmt ein Schwan zu der Stelle und als ich ihm das höchste Weiß in die Schwinge gemalt habe, hebt er ab, mit behäbigem Flügelschlag. Der Wasserheld richtet sein Fernglas und schaut von der Höhe des Turmes auf das bewegte Bild. Wind fächert das Schilfrohr und von einemmal huscht der Pinsel mit Lust über die  Landschaft auf dem Brett.

DIE TALENTE DES MALERS, Text 33: gelesen vom Stallhasen